Gewusst, dass ... ?

Wie geht's dir, Kuh?

Ob es einer Kuh gut geht, lässt sich an vielen Dingen erkennen. Woran genau, erklärt uns Marius Götz. Er arbeitet beim Staatsgut Grub, einem Versuchs- und Bildungszentrum in Bayern, das unter anderem zu Tierwohl und Haltungsfragen forscht. Außerdem: Was Kühe gerne fressen und wo sie sich am wohlsten fühlen.

Woran erkennen Landwirt:innen, dass es ihrer Kuh grundsätzlich gut geht?

Es gibt viele Anhaltspunkte, die mir rein optisch zeigen, dass es meiner Kuh gut geht. Dazu gehören etwa ein schön glänzendes Fell, ein für die Kuh typischer Gang – das heißt, sie lahmt nicht oder geht zögerlich – und ein gut gefüllter Pansen. Letzteres erkenne ich an der sogenannten ‘Hungergrube’, auch als ‘Warndreieck der Kühe’ bekannt. Steht man hinter der Kuh, befindet es sich auf der linken Seite. Der Grad der Einwölbung verrät mir, wie viel die Kuh gefuttert hat.
Kühe sind außerdem von Natur aus neugierig und interessiert, ihre Ohren stehen aufrecht und sie kauen entspannt wieder. Das sind nur einige Aspekte, die für das Wohlbefinden der Kuh sprechen. Auch anhand der Daten, die zum Beispiel der Melkroboter bereitstellt, sehe ich, ob mit meiner Kuh alles in Ordnung ist. Als Landwirt oder Betriebsleiter entwickle ich außerdem ein Gefühl für die Individualität meiner Tiere, da ich jeden Tag bei Ihnen im Stall bin.

Kannst du uns in Kürze erklären, wie Futtermittel und Kuhgesundheit zusammenhängen?

Die Futterration muss alle wichtigen Inhaltsstoffe wie Energie und Eiweiß sowie Rohfaser in optimaler Menge erhalten. Im Futtermischwagen wird alles zu einem Menü zusammen gemischt. Nachdem die Kuh das Futter dann aufgenommen hat, sorgt der Speichel dafür, dass das Futter besser nach unten rutschen und die Kuh leichter wiederkauen kann.

Die Ernährung der Kuh muss genau so ausgewogen sein wie bei einem Menschen auch. Nur unterscheiden sich die Zutaten etwas, denn die Kuh kann pflanzliche Biomasse verwerten welche für die menschliche Ernährung ungeeignet ist.

Die Futterration der Kuh muss gut gemischt sein, damit sie sich nicht einzelne Bestandteile herauspicken kann. Würde sie von einem Futtermittel zu viel erwischen, könnte dies zu Problemen führen (z.B. Acidose, eine Übersäuerung im Pansen oder Ketose, ein Energiemangel) – vergleichbar mit Kindern, die zu viel Schokolade gegessen haben. Demnach muss die Ration genau an ihre Bedürfnisse angepasst werden. Die Hauptbestandteile in der Ration sind immer Energie, Eiweiß und Rohfaser. Hier gibt es unterschiedliche Futtermittel, welche diese Bestandteile enthalten, allen voran Gras, Mais, Heu und Stroh.

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem Pansen, dem Wiederkäuen und dem Futtern bei einer Kuh?

Der Pansen ist der erste von vier Mägen der Kuh. Hier wird das gefressene Futter gesammelt. Damit es weiter zu den anderen Mägen transportiert werden kann, muss es zerkleinert werden. Das übernimmt die Kuh selbst, indem sie das Futter immer und immer wieder nach oben würgt und weiter zerkleinert. Der Reiz, das Futter zum Wiederkauen nach oben zu befördern, kommt von gröberen Futterarten wie Heu und Stroh – auch Rohfaser genannt. Diese Rohfaser ist für den Wiederkauvorgang essenziell.

Warum spielt Rohfaser denn so eine wichtige Rolle für das Wohlergehen der Kuh?

Im Pansen der Kuh herrscht ein saures Milieu. Damit das Futter optimal von den Mikroorganismen zersetzt und verarbeitet werden kann, wird aber ein neutraler pH-Wert benötigt. Hier spielt der Speichel der Kuh eine wichtige Rolle, der im Maul beim Wiederkauen entsteht. Er hat einen sehr hohen pH-Wert, ist also basisch und nicht sauer. Mit jedem Bissen, den die Kuh schluckt, wird auch der Speichel in den Pansen transportiert. Dort wird das saure Milieu neutralisiert und die Pansenbakterien können das Futter verwerten. Da Rohfaser zusätzlich das Wiederkäuen anregt, sorgt diese zusätzlich zu einer Neutralisation der im Pansen gebildeten Säuren. Eine Kuh produziert um die 200 Liter Speichel am Tag.

Gibt es Futtermittel, die Kühe besonders gerne essen und auch essen sollten?

Es gibt viele Futtermittel, die leicht süßlich schmecken und von den Tieren gerne gefressen werden. Grundsätzlich gilt aber: Die Kuh ist ein Gewohnheitstier und hat am liebsten jeden Tag das gleiche Futter, damit sich die Pansenorganismen nicht umstellen müssen. Das A und O ist aber eine ausgewogene Grundfutterration aus Silage, Heu und Stroh. Das ist nicht nur gesund und trägt zum Wohlergehen der Kühe bei, sondern ist auch schmackhaft.

Wie schon erwähnt, muss die Ration nach den Bedürfnissen der Kuh errechnet und zusammengestellt werden. Wichtig ist die gute Durchmischung. Die Ration hat einen möglichst hohen Anteil an Grundfutter. Zum Ausgleich noch fehlender und benötigter Inhaltsstoffe können dann zum Beispiel noch Nebenprodukte aus der Lebensmittelproduktion zugegeben werden, wie z. B. Zuckerrübenschnitzel.

“Kühen geht es nur auf der Weide gut”. Das ist eine weit verbreitete Überzeugung unter Verbraucher:innen. Stimmt das bzw. heißt das im Umkehrschluss, dass es ihnen Stall schlecht geht? Was sind die entscheidenden Faktoren für das Wohlergehen der Kühe?

Wir dürfen die Kuh nicht eins zu eins mit dem Menschen vergleichen und sie gar vermenschlichen – das wäre ein großer Fehler. Die Kuh hat andere Bedürfnisse. Ein großer Unterschied zum Beispiel ist das Temperaturempfinden. Bei Außentemperaturen von 15 bis 20 Grad fühlen sich die meisten von uns wohl und holen das T-Shirt aus dem Schrank. Für die Kuh ist diese Temperatur bereits zu hoch. Könnte die Kuh sich eine Temperatur aussuchen, so wäre ihr Lieblingsbereich bei null bis zehn Grad – dauerhaft und am liebsten ohne Zugluft. Moderne Laufställe sind auf diese Bedürfnisse genau ausgelegt: sie spenden Schatten, heizen sich in der Sonne nicht auf, haben Platz zum Liegen und frisches Trinkwasser, außerdem können die Kühe frei im Stall herumlaufen. Wie so oft kommt es auf den Landwirt an, sofern möglich, das Beste aus Weide- und Stallhaltung zu machen.

Und wenn Kühe die Wahl hätten: Lieber Stall oder lieber Weide?

Bei Höfen, die Stall- und Weidehaltung kombinieren und ihren Kühen somit ermöglichen, frei zu entscheiden, zeigen sich spannende Dinge: Vor allem im Sommer suchen die Kühe tagsüber eher den Stall auf und gehen nachts auf die Weide, wenn es draußen kühler ist. Das haben wir beobachtet und auch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen dies.(1) Auch Regenschauer genießen die Kühe nur für einen kurzen Moment, ehe sie sich ins Trockene zurückziehen. Ihr Lieblingsort ist dann das kühle Stallgebäude.

Was macht ihr konkret, um die Temperatur im Stall zu regulieren und das Wohlbefinden der Kühe allgemein zu steigern?

Im Sommer bieten wir unseren Kühen Lüfter und Vernebelungen an. Weiteren Komfort für die Kühe bieten weiche Liegeplätze aus unterschiedlichen Materialien und bequeme Laufgänge, welche wir zum Beispiel mit Gummimatten auslegen. Ausreichende Tränkemöglichkeiten und schmackhaftes Futter sind selbstverständlich. Auch genügend Platz zum Fressen und Liegen ist sehr wichtig. Möglichkeiten zur Fellpflege wie Bürsten etc. runden das Ganze ab.

(1) Landesforschungsanstalt von Mecklenburg-Vorpommern für Landwirtschaft und Fischerei in Gülzow



Zur Person

Marius Götz arbeitet bei den Bayerischen Staatsgütern (BaySG) in Grub, Bayern. Das ist ein Versuchs- und Bildungszentrum, das unter anderem zu Tierwohl und Haltungsfragen forscht. Zusammen mit der Landesanstalt für Landwirtschaft wird am Standort Grub bereits seit 100 Jahren Wissen kontinuierlich weiterentwickelt. Marius Götz arbeitet dort als Bereichsleiter und ist spezialisiert auf Tierhaltung, -gesundheit und Fütterung. Sein Ziel ist es, dem Landwirt weiterzuhelfen, gesellschaftliche Forderungen in die Praxis zu übersetzen und nachhaltige Lösungen für die Tierhaltung zu finden.