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Schon gewusst?

Faktencheck: Milchkuhhaltung

Kurz und bündig beantworten wir häufig gestellte Fragen rund um die Milch. Im zweiten Beitrag unserer Reihe schauen wir uns die Kuhhaltung auf deutschen Milchhöfen an.

Laufstall, Weidegang und Anbindehaltung – wie leben Kühe auf deutschen Höfen?

In der Nutztierhaltung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel getan. Das Tierwohl hat dabei Priorität, denn jeder Betrieb ist eine Lebens- und Produktionsgemeinschaft. Nur wenn die Tiere fit und gesund sind, können die Bauernfamilien ihren Betrieb wirtschaftlich führen.

Aktuell gibt es rund 3,8 Millionen Milchkühe auf rund 53.700 Milchkuhbetrieben. Eine durchschnittliche Herde auf den Höfen zählt 65 Tiere. Kühe sind sehr soziale Tiere, die im Verbund leben und ihren ganz eigenen Charakter haben. Fressen, Ruhepausen für das Wiederkäuen im Liegen, die Fellpflege und der Kontakt zu den anderen Tieren sowie ihre Rangordnung untereinander bestimmen ihren Rhythmus. Rund 90 Prozent der Milchkühe in Deutschland sind heute in offenen Laufställen untergebracht, die auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet sind. Kühe können in diesen Haltungssystemen selber entscheiden, wann Sie liegen, fressen oder sich bewegen wollen. In vielen Ställen gibt es sogar automatische Melksysteme: Hier kann die Kuh unabhängig vom Landwirt oder der Landwirtin entscheiden, wann sie sich melken lassen will.

Welche Kriterien für die Kuhhaltung gibt es?

Es gibt keine detaillierten gesetzlichen Vorgaben für die Milchviehhaltung im Rahmen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Die Akteure der Lebensmittelkette Milch – also Landwirtschaft, Molkereiwirtschaft, Lebensmitteleinzelhandel – haben jedoch einen Standard definiert, über den zum einen die Produkt- und Prozessqualität als auch ein Mindestmaß an Tierwohl einheitlich festgelegt wird. Mehr als 90 Prozent der deutschen Milchviehhalter:innen nehmen an diesem Programm teil und lassen sich von neutralen Prüforganisationen regelmäßig kontrollieren, dass sie diesen Standard einhalten. Die Mehrheit der Milchviehhalter:innen ist über QM-Milch zertifiziert. Der mit Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis entwickelte Katalog berücksichtigt unter anderem diese Faktoren:

  • Zugang zu frischem Futter, Wasser und Rückzugsmöglichkeiten zu ruhigen Liegeflächen.
  • Tageslicht und frische Luft. Denn: Kühe schätzen kühle Temperaturen rund um 10 Grad Celsius.
  • Ausrichtung der Böden auf verschiedene Funktionen– zum Beispiel gibt es im Futter- oder Laufbereich andere Anforderungen an den Untergrund als im Liegebereich.
  • Separate Bereiche für Tiere, die bald kalben und für erkrankte Milchkühe, die genesen sollen.
  • Angebote wie Bürsten für Fellpflege und Kuh-Wellness.
  • Regelmäßige medizinische Betreuung, zum Beispiel bei der Klauenpflege.

Regelmäßige Fortbildungen des Hofteams und die Zusammenarbeit mit externen Beratungsdiensten sind weitere Empfehlungen, die das Zertifizierungsmodell QM-Milch anschaut. Tiermedizinische Studien belegen: Der Gesundheitszustand der Tiere hängt nicht von der Größe eines Betriebs ab, sondern davon, wie der Betrieb geführt wird.

Die Milchbranche hat erkannt, dass Tierwohl für einen großen Teil der Bevölkerung bzw. der Konsument:innen eine wachsende Bedeutung einnimmt. Der QM-Standard wird laufend weiterentwickelt. Um speziell den Tierschutz und die Tiergesundheit in der Milcherzeugung weiter zu fördern, wurde das QMilch-Programm mit dem Zusatzmodul „QM+“ ausgearbeitet. Das Programm soll Anfang 2022 an den Start gehen und die Milch in die Haltungsformkennzeichnung des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) der „Initiative Tierwohl“ integrieren. So kann die Milchbranche transparent machen, was sie in den vergangenen Jahren in Sachen Tierwohl bereits erreicht hat und wie sie sich stetig weiterentwickelt.

Warum gibt es Diskussionen um das Tierwohl?

Die Weiterentwicklungen einer nachhaltigen Milchwirtschaft ist ein Prozess. Aktuell werden höhere Standards für die Haltung diskutiert. Es liegen unter anderem aus der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft Empfehlungen vor, an denen Menschen aus der Branche, NGOs und Expert:innen aus der Wissenschaft gemeinsam gearbeitet haben. Auch der Handel hat Modelle entwickelt. Die Maßnahmen bedeuten für einige Betriebe eine Reihe weiterer Investitionen, um zum Beispiel Flächen zu vergrößern. In den Um- bzw. Neubau der Stallanlagen haben Landwirt:innen in den vergangenen Jahren zwischen drei und vier Milliarden Euro jährlich investiert. Mit den für die Zukunft geplanten Anforderungen bedeutet das noch weitere Investitionen. Die Betriebe stehen zu den höheren Standards, wünschen sich aber eine Planungssicherheit. Allein über den stagnierenden Milchpreis können sie die steigenden Kosten nicht stemmen. Was es braucht, ist ein gesellschaftlicher Konsens, wie wir diese Aufgabe gemeinsam lösen.

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