Mit den Kühen unterwegs
Bei Let's do Zukunft begleiten wir Höfe auf ihrem nachhaltigen Weg und zeigen, wie sie aktiv Emissionen reduzieren. Wie es den Kühen dabei geht, vermitteln unsere Kuhwochenbücher.
Unsere Kuhwochenbücher geben Einblick in den Alltag einer Kuh. Dafür haben Wissenschaftsjournalist Dr. Jakob Vicari und sein Team des Innovationslabor tactile.news Daten gesammelt, die „significant six“: Fressen, Wiederkäuen, Trinken, Gehen, Stehen und Liegen.
Die Kennzahlen geben Aufschluss über das typische Verhalten der Tiere. Unsere Kuhwochenbücher übersetzen sie und machen den Kuhalltag auf den Höfen, die wir im Rahmen von Let’s do Zukunft begleiten, für Laien verständlich. Den Frühling und den ersten Grasschnitt erleben wir mit Kuh Banane. Im Sommer sind wir auf dem Hof von Sunshine. Klickt euch rein!
Stell dir eine sehr coole Smartwatch für Kühe vor: Der Sensor ist genau das! Er besteht aus zwei Teilen: Erstens gibt es ein spezielles Sensor-Halfter, das die Kuh am Kopf trägt. Dieses Halfter kann messen, wann die Kuh frisst oder wiederkäut. Zusätzlich gibt es ein Gerät, das wie eine Uhr am Knöchl der Kuh befestigt wird. Es zählt, wie viel die Kuh läuft oder steht. Zusammen sammeln diese beiden Geräte viele Informationen darüber, was die Kuh den ganzen Tag macht. Die gesammelten Daten werden dann per Bluetooth an den Computer von Dr. Jakob Vicari und sein Datenteam geschickt. Dort können sie genau verfolgen, was die Kuh erlebt.
Wir folgen Banane auf Schritt und Tritt durch den Frühling! Was hat sie von April bis Mai so getrieben?
Sie ist noch jung und neues Mitglied von Tjarks Herde. Das Red Holstein mit der namensgebenden Banane auf der Stirn muss ihre Rolle innerhalb der Herde erst noch finden.
Ganz im Gegenteil zur erfahrenen Annabell, die souverän ihr Kuhleben meistert. Sie dient uns als Vergleichskuh, um die Daten von Banane besser einordnen zu können.
Banane lebt auf einem mittelgroßen Milchviehbetrieb in Schleswig-Holstein, der in siebter Generation familiengeführt wird. Aktuell leben dort drei Generationen sowie rund 250 Milchkühe. Dazu zählen auch noch Berner Sennenhund Jack, der die Gang zusammenhält, und Schneefuß – ein Pferd, das dauernd ausbüchst, aber stets den Weg nach Hause findet.
Wie Tjark und seine Familie ihren Hof in die Zukunft führen, erfahrt ihr hier!
Das Datenteam von Dr. Jakob Vicari hat Grafiken erstellt, die den Tagesverlauf einer Kuh visualisieren. Jede Kuh hat komplett eigene Verhaltensmuster, die sich wiederholen. Dabei verfügen die Tiere über keinen Schlafrhythmus wie wir Menschen. Stattdessen sind sie fast ununterbrochen mit Kauen beschäftigt. Dabei wechseln sich Phasen ab, in denen sie neues Futter frisst – in der Grafik Grün hinterlegt – und in denen sie wiederkäut (dunkelgrün).
Was schon ein erster Blick verrät: Gut zwei Drittel des Tages verbringt Banane damit, zu fressen und wiederzukäuen. Doch was die Daten auch zeigen: Jede Kuh ist individuell! Denn während Banane recht häufig zum Futtertisch geht und dafür nur kurz bleibt, lässt Annabell sich so gar nicht aus der Ruhe bringen.
Ein möglicher Grund, warum sich das Fressverhalten so stark unterscheidet: Die beiden Kühe nehmen verschiedene Ränge innerhalb der Herde ein. Als junge Kuh muss Banane ihren Platz noch finden. Annabell ist da schon viel weiter. Sie ist gar die „Chefkuh“ schlechthin. Dazu Henrik, der Vater von Tjark: „Wenn Annabell durch den Stall geht, machen alle anderen Platz.“ Doch wie heißt es so schön: Gegensätze ziehen sich an! Die beiden ungleichen Freundinnen gehen häufig gemeinsam zum Melkstand.
Freundlich gesinnt ist Banane aber nicht nur Annabell, sondern auch Anschieberoboter Hermann. Seine Aufgabe: Tagein, tagaus schiebt er das Futter ran – und zwar so, dass alle was davon haben. Damit ist er ein echter Harmoniestifter auf Tjarks Hof, da Rangkämpfe um das Futter zur Seltenheit werden.
Anfang Mai dürfen die Kühe erstmals raus auf die Weide. Der erste Ausflug steht immer auch im Zeichen des Frühlings. Denn die Bedingungen müssen passen, damit die Kühe raus können. Regnet es viel und die Böden sind matschig, ist die Rutschgefahr einfach zu hoch.
Doch auch im Stall geht es den Kühen gut. Denn Tjark und seine Familie haben 2010 in einen offenen Boxenlaufstall mit Außenklima investiert. Außerdem ist der Stall für rund 270 Tiere ausgelegt, doch in der Regel leben hier nur um die 250 Tiere, sodass jede Kuh ausreichend Bewegungsfreiheit hat. Kuhkomfort at it's best!
Was die Daten von Jakob Vicari und seinem Team sichtbar machen: Banane nutzt das trockene Wetter, um sich die Beine zu vertreten! Ihre Schrittzahl geht deutlich nach oben. Das lässt sich an den dunkelvioletten Balken ablesen, die vor allem um die Zeit zwischen 12 und 15 Uhr nach oben gehen.
Tjark und seine Familie nennen das Grünland auch „Jogging-Weide“, weil die Kühe sich dort nicht unbedingt satt fressen, sondern herumtollen und ihren Spieltrieb freien Lauf lassen. Mit von der Partie: Berner Sennenhund Jack, der die Herde zusammenhält – so glaubt er jedenfalls.
Bis vor Kurzem hatte Banane sicherlich noch ein Stück Frühling vom vergangenen Jahr zwischen den Zähnen hängen. Denn der erste Grasschnitt im Jahr ist immer in den Monaten April und Mai und wird zum Jahreswechsel, in der Regel zwischen Oktober und Februar, als Silage an die Tiere verfüttert. Silage ist Grünfutter, das über mehrere Monate durch Gärung konserviert wird. Dafür wird das geschnittene Gras in einem Silo luftdicht verschlossen.
Dabei kommt es auch auf das richtige Timing an. In der Regel sollte der erste Schnitt spätestens Mitte Mai erfolgen, sonst wird das Gras zu alt und verliert an Qualität. Außerdem könnte die Grasnarbe verfilzen, wodurch das Wachstum über das gesamte Jahr hinweg beeinträchtigt wird.
Am silierten Gras hat Banane übrigens ganz schön zu knabbern. Am 02. Mai hat das Sensor-System 29 209 Kauschläge beim Fressen und 37 070 Kauschläge beim Wiederkäuen gemessen! Während der Zeit der Datenerfassung der absolute Höchststand. Für die Kühe ist das Normalbetrieb. Sie (wieder)kauen superschnell – zu Spitzenzeiten mehr als 60 Mal pro Minute!
Was auffällt, wenn man Banane bei der Arbeit zusieht: Ihr Kiefer bewegt sich kreisend, fast schon hypnotisierend für den Betrachtenden. Tut sie das besonders gründlich, ist es recht wahrscheinlich, dass wir ihr beim Wiederkauen zuschauen. Denn im ersten Anlauf schlingt sie das Futter erst einmal nur herunter, um die Zähne vor Staub und Erde zu schützen, die das Gras mitführt.
Das gründliche Kauen verschiebt Banane dann auf später – dann, wenn die Passage durch den Pansen das Futter von Verunreinigungen freigewaschen hat. Daher kommt übrigens auch das Sprichwort: „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“, denn Pferde und Esel haben die Fähigkeit, eine Extra-Runde mit ihrem Essen zu drehen, bekanntlich nicht. Geht es allein um die Zähne, sind Kühe also zeitlos schön.
Während wir im Frühling zu Besuch bei Banane waren, erlebten wir den Sommer mit Sunshine. Wie sollte es bei dem Namen auch anders sein?
Sunshine
Die dreijährige Sunshine ist ein temperamentvolles Exemplar der Rasse „Braunvieh“ und eine besondere Kuh. Denn Sunshine ist der Gewinn einer Auktion, die ihr heutiger Besitzer nicht ganz freiwillig für sich entschieden hat.
„Eigentlich ging es darum, den Preis für einen Freund nach oben zu treiben. Plötzlich gab es kein Gegenangebot mehr und wir haben den Zuschlag erhalten“, so seine Frau. Bereut haben die beiden ihr kleines „Versehen“ allerdings nie. Denn Sunshine hat die beiden von Tag eins mit ihrer liebenswürdigen Art verzaubert.
Edda
Wie schon bei unserer Frühlingsedition haben wir nicht nur Daten von unserer Kuh im Scheinwerferlicht erhoben, sondern auch von zwei ihrer Artgenossinnen. Das waren Edda, ein gemütliches Fleckvieh, und Nelly, die wie Sunshine ein Braunvieh ist. Sie dienen der Erhebung als Vergleichskühe.
Nelly
Einzig die Daten von Nelly liegen uns nicht vollständig vor: Sie hat während der Aufzeichnungen nämlich ihr Sensor-Halfter verloren. Tja, auch so etwas passiert nun mal im Stall!
Sunshine lebt mit rund 100 weiteren Kühen auf einem Hof im oberschwäbischen Allgäu. Doch nicht alle Mitglieder der Herde sind wie sie Braunvieh. Unter ihnen tummeln sich auch 40 Kühe der Rasse „Schwarzbunte“ (Holstein Friesian) und 20 Kühe der Rasse Fleckvieh.
Die buchstäblich bunte Mischung hat einen guten Grund: Die verschiedenen Rassen unterscheiden sich nicht nur in ihren äußeren Merkmalen, sondern auch in ihrem Verhalten und Wesen. So gilt Fleckvieh als ruhig, ausgeglichen und unkompliziert im Umgang. Das Braunvieh verfügt dagegen über mehr Temperament, ist dabei aber sehr umgänglich. Noch temperamentvoller sind Schwarzbunte. So wird der Alltag mit den Kühen nie langweilig!
Es ist Sommer und langsam klettern die Temperaturen nach oben. Bei Sunshines Namen könnte man meinen, dass ihr die Wärme liegt. Doch das ist keineswegs so. Kühe haben eine dicke Haut und dichtes Fell. Das macht sie nicht gleich zu Dickhäutern, aber im Vergleich zu uns Menschen sind sie allemal besser vor Kälte geschützt. Ihre Wohlfühltemperatur liegt daher zwischen 4 und 16 Grad.
Auch deswegen ist Deutschland und besonders das Allgäu ein Gunststandort für die Milchkuhhaltung: Die milden Winter und nicht zu heißen Sommer fördern das Wohlbefinden der Kühe.
Trotzdem wird es im Sommer auch im Allgäu mal heiß. Daher wurden über den Köpfen von Sunshine und ihren Gefährtinnen Ventilatoren angebracht. Diese sind mit Sensoren ausgestattet, die bereits ab zehn Grad Celsius ein Signal aussenden: Die Ventilatoren-Blätter setzen sich in Bewegung und schicken den Kühen eine kühle Brise hinunter.
Und wie es in der modernen Milchkuhhaltung in Deutschland mittlerweile Standard ist, leben Sunshine und die anderen in einem Boxenlaufstall, der zu beiden Seiten hin offen ist. Neben frischer Luft haben sie damit auch einen prima Ausblick! Ein gutes Beispiel, wie sich moderne Technik und natürliche Gegebenheiten ergänzen können.
Futter? Werden die Motorgeräusche des Traktors lauter, ahnen die Kühe schon was.
Dank der offenen Stallwände haben Sunshine und ihre Gefährtinnen einen schönen Blick auf das Allgäuer Land und seine grünen Wiesen. Beim Gucken allein bleibt es aber nicht! Denn die Kühe dürfen natürlich auch regelmäßig vom frischen Grünbestand kosten.
Am 10. Juni war es wieder so weit: Schon die Motorengeräusche des heranfahrenden Traktors ließen die ersten Kühe aufhorchen. Denn das ist immer ein zuverlässiges Signal dafür, dass es gleich Leckereien, also frisches Gras, geben könnte. In solchen Tagen ist die Herde immer in heller Aufregung. Für die Landwirtsfamilie bedeutet das zwar etwas mehr Arbeit, doch das ist es ihnen wert.
Montag war viel los! Im Anschluss geht alles wieder seinen gewohnten Gang.
Der 10. Juni hielt aber noch eine weitere Überraschung für Sunshine und die anderen bereit: An diesem Tag teilten sie sich den Stall mit Handwerker:innen. Sie nahmen kleinere Umbauten vor, für die sie die Kühe öfter mal von A nach B schicken mussten. Sunshine und den anderen dürfte das gar nicht geschmeckt haben, schließlich lieben sie ihre Routinen. Im Kuhalltag bleibt das aber nicht aus.
All der Trubel spiegelt sich auch in den Bewegungsdaten wider, die Dr. Vicari und sein Team für uns erhoben haben. Sunshine war ziemlich auf Achse. Entweder verfolgte sie das Treiben der Handwerker:innen oder sie war mit Fressen beschäftigt. Die nächsten Tage ging dann schon wieder alles seinen gewohnten Gang – auch schön!
Jede der drei beobachteten Kühe legt ein anderes Fressverhalten an den Tag. Das kann mit persönlichen Vorlieben zusammenhängen oder mit dem sozialen Gefüge innerhalb der Herde. Dominante Tiere können sich ihren Platz mehr oder weniger aussuchen, rangniedrigere Kühe suchen sich ihre Nischen und Gelegenheiten.
Und wie fressen unsere Kühe? Edda hat lange Fressphasen und widmet sich vor allem am Abend, ab circa 18 Uhr, ausgiebig der Futteraufnahme. Sunshine geht dagegen häufiger zum Futtertisch, das ist der Essbereich der Kühe, und verlässt diesen auch schnell wieder. Bei Nelly wechseln sich Fress- und Wiederkäuphasen wunderbar gleichmäßig ab.
Der Futtertisch ist übrigens der Essbereich der Kühe. Er wird mehrmals täglich mit frischem Futter wieder aufgefüllt.
So frisst Sunshine über die Woche. Schön zu sehen: Montag gab’s frisches Gras. Das erklärt den steilen Anstieg der hellgrünen Kurve.
Doch gibt es frisches Gras, ist alles anders. Egal ob Sunshine, Nelly oder Edda – sie alle weichen von ihrem typischen Fressverhalten ab. So ist Sunshine ab 18 Uhr – also kurze Zeit, nachdem das frische Gras geliefert wird – fast nur mit Futtern beschäftigt.
Anhand der Grafik könnt ihr sehr schön sehen, wie sich der Montag von den übrigen Tagen in dieser Woche abhebt.
Und wer viel frisst, hat viel zu kauen: Der Sensor an Sunshines Halfter verzeichnet rund 35.000 Kauschläge. In den drei Wochen, die wir sie begleitet haben, ist das ein absoluter Rekord! Das wird von Edda aber noch übertroffen, deren Sensor sogar 20.000 Kauschläge mehr verzeichnet. Wow!
Mal zum Vergleich: Es gibt grobe Schätzungen, dass ein Mensch zwischen 800 und 1.400 Kaubewegungen pro Mahlzeit macht. Wer dreimal am Tag isst, würde also täglich zwischen 2.400 und 4.200-mal kauen. Da fällt einem glatt die Kinnlade runter!
In so eine Kuh passt aber auch ganz schön viel rein! Laut der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft können die Wiederkäuer durchschnittlich 15 bis 20 Kilogramm Trockenmasse täglich verputzen. Trockenmasse ist der Anteil eines Futtermittels wie Maissilage, der übrig bleibt, wenn das gesamte Wasser entfernt wurde. Auch in unserem Alltag begegnen wir dem Begriff – etwa beim Einkauf. Kauft ihr ein Stück Käse, steht dort häufig „Fett i. Tr.“, das heißt: Fett in Trockenmasse.
Und warum das Ganze? Ob bei Futter für die Kühe oder beim Lebensmitteleinkauf – die Angabe hilft Landwirt:innen wie Verbraucher:innen, Nährstoffangaben besser zu vergleichen. Denn der Wassergehalt kann teils stark variieren und zu falschen Rückschlüssen führen.
Dass es so harmonisch in Sunshines Herde zugeht, liegt auch an den beiden Melkrobotern, die sich an den Enden des Stalls befinden. Die Kühe können sich jederzeit aussuchen, zu welchem Roboter sie gehen möchten. So gibt es Kühe, die lieber von links in den Melkroboter hineingehen, wie Sunshine. Und es gibt Kühe, die die rechte Seite bevorzugen. Es entsteht also kein Stau, sondern für alle ein entspanntes Melken.
Milde Temperaturen, ausreichend Regen und eine gute Bodenqualität – Deutschland und besonders das Allgäu bieten beste Voraussetzungen für hochwertiges Futter, das reich an Nährstoffen ist. So kann schon durch das Grundfutter ein Großteil des Nährstoffbedarfs der Kühe gedeckt werden. Es muss also weniger Kraftfutter hinzugefügt werden.
Sogenanntes Grundfutter ist das Hauptfuttermittel für Kühe und besteht aus pflanzlichen Materialien, die in der Regel vor Ort angebaut und geerntet werden. Dazu gehören Gras, Heu und Silage (fermentiertes Gras oder andere Grünpflanzen). Auch bei Sunshine auf dem Hof gibt’s vorrangig dieses „Zeug“, das nur wenige Kilometer entfernt wächst. Die Devise bei der Zusammenstellung lautet: „Je einfacher, desto besser!“
Ein hoher Grundfutteranteil ist gut für Klima und Umwelt: Denn Kraftfutter muss meist angeliefert werden, während das Grundfutter (Gras, Heu, Silage) direkt vor der eigenen Stalltür wächst. Gunststandort bedeutet also auch, dass optimale Bedingungen für eine nachhaltige und effiziente Ressourcennutzung gegeben sind – ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft! Außerdem ist es kosteneffizient, da Kraftfutter in der Regel teuer ist. Und Sunshine schmeckt’s natürlich auch!
Es ist Herbst, die Blätte färben sich und fallen langsam von den Bäumen – und was passiert in Riekas Stall? Die Kuhstorys verraten es euch!
Snowflake wäre auch ein passender Name.
Sie ist viereinhalb Jahre alt und gehört damit zu den seniorigen Kühen in der Herde. Dort nimmt sie eine ranghohe Stellung ein. Heißt: Die Kuh mit dem weißen Kopf ist stets eine der ersten beim Futter! Hermann-Wilhelm, der Vater von Wilke, hat aber noch ein weiteres Beispiel für ihre Leadership-Qualität parat: „Wenn es raus auf die Weide geht, ist Rieka immer ganz vorne mit dabei!“
Valeska hingegen nimmt eher eine unscheinbare Rolle innerhalb der Herde ein. Doch Landwirt Wilke weiß, was er an ihr hat: „Sie ist eine ruhige, fromme Kuh und super umgänglich.“ Geht es raus auf die Weide, trottet sie eher hinterher. Oder sie ist eine der Kühe in der Herde, die die ruhige Minute im Stall voll auskosten, sich unter die Wellnessbürste stellen und die Kuhseele baumeln lassen. Hach!
Für uns dient Valeska als Vergleichskuh, um die Daten zu Rieka besser einordnen zu können.
Ein echtes Familienunternehmen: Landwirt Wilke, Frau Anna, Mutter Alke und Vater Hermann-Wilhelm
Rieka und Valeska leben auf einem Milchhof in Friesland, der in vierter Generation familiengeführt wird. Den Betrieb gibt es seit 110 Jahren. 1941 musste er umziehen, da während des Zweiten Weltkriegs am ursprünglichen Standort ein Flugplatz gebaut wurde.
Heute leben Wilke und seine Frau Anna gemeinsam mit den Eltern Hermann-Wilhelm und Alke auf dem „neuen“ Hof, den Vater und Sohn gemeinsam betreiben.
Wie Wilke und seine Familie ihren Hof in die Zukunft führen, erfahrt ihr hier!
Ist Ida nicht bei den Kühen, begleitet sie Wilke und Hermann-Wilhelm auf Schritt und Tritt.
Wie die gesamte Herde sind Rieka und Valeska Holstein-Friesians. Diese Kuhart gilt als ausgesprochen sozial. So sozial, dass es sich bei der Herde nicht um einen exklusiven Wiederkäuer-Verein handelt. Denn auch Hofhund Ida ist Teil der Gang und mischt sich im Stall und auf der Weide „unauffällig“ unter die Kühe.
Hermann-Wilhelm checkt die Gesundheitsdaten einer Kuh auf seinem Smartphone.
Auf Wilkes Hof tragen alle Kühe eine Gesundheitsmessung am Halsband. So können der junge Landwirt und sein Vater genau verfolgen, ob die Kuh genug frisst und sich ausreichend bewegt. Tut sie das nicht, sendet das System direkt einen Alarm aus und die beiden Landwirte können reagieren.
Eingespieltes Team: Über die Daten tauschen sich Hermann-Wilhelm und Wilke regelmäßig aus und beraten, was sie noch verbessern können.
Auch darüber hinaus sind solche Messsysteme aus der modernen Milchwirtschaft kaum noch wegzudenken. Sie verschaffen Landwirt:innen wie Wilke eine Übersicht darüber, wie es den Kühen geht – und das über lange Zeiträume. Dabei ist nicht nur das Sammeln, sondern auch die Darstellung und Visualisierung der Daten entscheidend.
Auch die Daten zu Rieka, Valeska und all den anderen Kühen, die Dr. Jakob Vicari und sein Team von tactile.news für Let’s do Zukunft gesammelt haben, werden erst dank passender Grafiken wirklich aussagekräftig. So zeigt das Balkendiagramm zum Beispiel, wie viel Zeit Rieka vom 13. bis zum 15. September mit Fressen (hellgrün), Wiederkäuen (dunkelgrün) oder nichts von beiden (grau) verbringt.
Was ins Auge sticht: An allen drei Tagen ist Rieka von acht bis zehn Uhr morgens fast ausschließlich mit Futtern beschäftigt. Das ist die Zeit zwischen dem ersten Melken und dem Weidegang. Zu dieser Zeit bringen der junge Landwirt und sein Vater frisches Futter, das die Kühe genüsslich verputzen. Ihr Appetit ist nach dem Melken in der Regel besonders groß. Auch Valeska bildet da keine Ausnahme, wie ihre Daten verraten.
Nach der Futterei geht’s schließlich raus auf die Weide. Anhand der Bewegungsdaten können wir wunderbar sehen, dass Rieka ihren persönlichen Weidegang in zwei Hälften teilt. In der ersten Hälfte, von 10 bis 12 Uhr, ist sie aktiv und erkundet ihre Umgebung. Den Rest ihres Weidegangs verbringt sie im Liegen. Kein Wunder, schließlich bietet das Gras eine wunderbar weiche Unterlage.
Ganz anders Valeska. Auch bei ihr lässt sich ein Muster erkennen, das sich über die drei Tage wiederholt. Während Rieka vor allem zu Beginn des Weidegangs ständig unterwegs ist, sucht die jüngere Valeska gleich den direkten Bodenkontakt. Einzig um die Mittagszeit ist sie ein wenig aktiver.
Schon gewusst? Kühe legen großen Wert auf ihre Körperhygiene. Dabei kommt ihnen auch ihre lange, bewegliche Zunge zugute, mit der sie Fellpflege betreiben – und das teils mehrere Stunden am Tag! Es kommt auch vor, dass die Tiere sich gegenseitig pflegen und an Stellen aushelfen, die für die eigene Zunge unerreichbar sind. Das stärkt die sozialen Bindungen.
Heute gibt es in fast jedem Stall in Deutschland Kuhbürsten. In der Herde sind sie super beliebt, auch Rieka und Valeska schauen gerne für eine ausgedehnte Rückenmassage und ein Hautpeeling vorbei. Die Bürsten befreien die Tiere von Staub und Dreck und helfen, lästige Plagegeister wie Insekten oder Parasiten aus dem Fell zu entfernen.
Doch nicht nur die Kuhbürsten im Stall, sondern auch die Weide direkt nebenan verspricht Wellness für Rieka, Valeska und die Anderen. Der weiche Untergrund bietet den Kühen eine natürliche Klauenpflege. Das Grasen auf der Weide trägt außerdem zur Fitness bei, da die Wiederkäuer sich nach jedem Grasbüschel strecken müssen.
Doch ist der Boden zu weich – wie im regenreichen Herbst der Fall – leidet er unter dem Gewicht der Kühe. Die Grasnarbe wird beschädigt und das Risiko von Erosion steigt. Das ist der Abtrag des fruchtbaren Oberbodens. „Aktuell reduzieren wir die Auslaufzeit immer weiter. Regnet es zu doll oder wird es noch kälter, ist es mit dem Weidegang im Herbst vorbei,“ erklärt Wilke. Doch auch im Stall ist’s schön!
Weidehaltung bietet einige Vorteile. Das heißt jedoch nicht, dass sie per se besser ist als Stallhaltung. Denn auch Boxenlaufställe, wie sie in modernen Milchviehbetrieben längst Standard sind, bieten den Kühen viel Komfort und Platz. Schaut man sich im Stall von Rieka und Valeska um, fällt auf: Das Vater-Sohn-Gespann leistet ganze Arbeit, um den Tieren eine angenehme und tiergerechte Lebensumgebung zu bieten. „Wir arbeiten sehr sorgfältig und sauber. Das wirkt sich positiv auf das Tierwohl aus“, erklärt Wilke.
Neben den Kuhbürsten gibt es große Ventilatoren, die bei hohen Temperaturen für eine angenehme Luftverwirbelung sorgen. Ein Anschieberoboter sorgt dafür, dass das Futter stets in Kauweite der Kühe liegt. Und der Stall könnte theoretisch noch mehr Kühe fassen. Doch das wollen Wilke und Hermann-Wilhelm nicht. Ihre Tiere sollen sich frei bewegen können.
Während draußen also die Tage dunkler werden und die Temperaturen sinken, verbringen Rieka und Valeska den Rest des Jahres im gemütlichen Stall. Das war’s von Let’s do Zukunft in diesem Jahr!