Julius Iseringhausen im Interview

Warum nicht alle Lebensmittelreste überflüssig sind

Nebenprodukte sind Überbleibsel, die im Zuge der Herstellung unserer Lebensmittel anfallen. Warum sie für eine nachhaltige Landwirtschaft so einen großen Nutzen haben, erklärt uns Julius Iseringhausen im Interview. Er ist Einkäufer bei einem Futtermittellieferanten und weiß bestens Bescheid, wenn es um die innovative Verwendung von Reststoffen geht.

Julius, du arbeitest bei einem Unternehmen, das nachhaltige Futtermittel vertreibt. Ihr liefert sogenannte Nebenprodukte, unter anderem auch für Milchkühe. Was ist das und welche Produkte kommen für Milchkühe in Frage?

Das Unternehmen ist Spezialist in Sachen nachhaltige Futterlösungen für Nutztiere, also auch für Milchkühe. Wir stellen die Produkte nicht selbst her. Wir haben uns darauf spezialisiert, vorhandene Nebenprodukte aus der Lebensmittel-, Getränke- und Biokraftstoffindustrie, die wertvolle Nährstoffe enthalten, dem Kreislauf zurückzuführen. Dies sind ausgewogene und umweltfreundliche Futtermittel für unsere Tiere.

Was sind Nebenprodukte für Milchkühe?

Als Futter ergänzen Nebenprodukte das sogenannte Grundfutter, das hauptsächlich aus Gras- und Maissilagen besteht. Dabei handelt es sich um Reststoffe, die bei der Verarbeitung von Feldfrüchten wie Getreide, Mais, Kartoffeln oder Wurzeln in der Lebensmittel-, Getränke- und Biokraftstoffindustrie anfallen. Einfach gesagt: Es sind Überbleibsel. Diese liefern wir als nahrhaftes und nachhaltiges Futter für Milchvieh an Landwirte aus der Region. Die Kuh kann daraus dann mit der Milch ein hochwertiges Lebensmittel machen.

Kannst du uns ein paar konkrete Beispiele für solche Nebenprodukte nennen?

Zum Beispiel Biertreber: Das ist ein Rest, der beim Bierbrauen entsteht. Braumalz und Wasser werden im ersten Schritt der Bierherstellung vermischt und erhitzt. Der feste Teil wird vom flüssigen – unser späteres Bier – getrennt. Das ist der Biertreber. Er enthält hochwertiges pflanzliches Eiweiß, Spurenelemente, Enzyme, Vitamine und Ballaststoffe und trägt so zur gesunden Ernährung der Kühe bei.

Hast du noch weitere Beispiele für uns?

Zuckerrübenschnitzel sind typische Nebenprodukte, die sich für die Verfütterung an Kühe eignen. Das ist ein Nebenprodukt der Zuckerproduktion aus Zuckerrüben. In der Ration für Milchkühe hilft er Grundfuttervolumen zu ersetzen und liefert hoch verdauliche Ballaststoffe. Und dann gibt es noch Kartoffelpülpe. Es entsteht im Zuge der Kartoffelverarbeitung und ergänzt die Ration der Kühe um wichtige Kohlenhydrate und somit um Energie.
Was noch hinzukommt: Betrachtet man andere Alternativen, wie Nebenprodukte sinnvoll verwendet werden könnten, erweist sich der Futtermittelgebrauch als beste Option. Was außerdem oft vergessen wird: Kühe und Rinder lieben Nebenprodukte – wegen ihres guten Geschmacks.

Futtermittel wird immer wieder als eine der Hauptstellschrauben genannt, um Emissionen zu reduzieren. Wie genau ist das zu verstehen und welche Rolle spielen Koppelprodukte dabei?

Tatsächlich ist Futter ein großer Faktor, wenn es um die Reduzierung von Emissionen in der Landwirtschaft geht. Dies liegt daran, dass die Art des Futters, das in der Tierproduktion verwendet wird, einen erheblichen Einfluss auf die bilanzierten Treibhausgasemissionen haben kann. Nebenprodukte haben dabei einen geringen CO2-Fußabdruck. Ein Grund: Bei der Herstellung von zum Beispiel Bier oder Pommes Frites wird den Primärprodukten der CO2-Fußabdruck angerechnet. Nebenprodukte fallen aus der Rechnung heraus. Dadurch haben diese einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck als beispielsweise das weit verbreitete Mischfutter, wo Rohstoffe explizit zu dessen Herstellung angebaut werden. Aber das ist nur ein Grund, warum sich der Einsatz von Nebenprodukten für Landwirt:innen lohnt.

Welche weiteren Gründe gibt es?

Nebenprodukte werden nicht weiter bearbeitet. Sie werden also nicht getrocknet, gepresst oder ähnliches. Das spart Energie! Deshalb sind Nebenprodukte in der Regel günstig und ein echter Faktor für Landwirt:innen, um Kosten zu senken. Darüber hinaus ist die Verwendung von Nebenprodukten in Tierfutter ein gutes Beispiel für Kreislaufwirtschaft. Darüber hinaus achten wir auf kurze Lieferketten, um transportbedingte Emissionen gering zu halten. Wir vertreiben die Nebenprodukte in der Region und nehmen keine weitere Verarbeitung vor. Kurzum: Nebenprodukte tragen also zur Nachhaltigkeit der Fleisch- und Milchproduktion bei und sind gleichzeitig profitabel für den Betrieb.

Ihr bezieht die Nebenprodukte hauptsächlich aus den Regionen und liefert diese auch dahin aus. Inwiefern ergänzen die Nebenprodukte die vorhandenen Futtermittel aus der Region?

Richtig. Wir beziehen die Nebenprodukte von unseren Partnern und unser oberstes Ziel ist es, diese an die Höfe in der Region zu liefern. Natürlich steht im Vordergrund die gesunde und ausgewogene Ernährung der Tiere. Gemeinsam mit den Landwirt:innnen ermitteln wir bedarfsgerecht, was die Tiere benötigen. Grundsätzlich sind dabei Protein- und Energiegehalte die vordergründigen Aspekte. So ergänzt zum Beispiel der Biertreber unter anderem die Ration um hochwertige Proteine, Kartoffelprodukte um wertvolle Kohlenhydrate. Wo ein Nebenprodukt in sehr großen Mengen anfällt, müssen wir für dessen Vermarktung auch einen entsprechend größeren Radius in Betracht ziehen. Hin und wieder kommt es auch zu solchen Situationen, in der ein spezielles Produkt in „Nachbarregionen“ die vorhandenen Futtermittel besser ergänzt als die Rationen in unmittelbar Nähe. Aber auch in solchen Fällen sind wir immer noch lokal unterwegs, da die Produkte vor Ort vorhanden sind und nichts importiert wird. Zusammenfassend, wie eingangs erwähnt, sind Nebenprodukte ein nachhaltiger Weg der Fütterung.

Zur Person

Julius Iseringhausen ist Futtermittel- und Kreislaufwirtschaftsexperte bei einem Futtermittellieferanten. Das Unternehmen kauft Reststoffe und Nebenprodukte wie z. B. Biertreber von Brauereien und verarbeitet sie zu Futtermittel. Iseringhausen kennt die Prozesse der Kreislaufwirtschaft in- und auswendig. Sein gesamtes Tun im Unternehmen richtet sich danach, Regionalität ganzheitlich zu denken.